Eichhörnchen

Eurasisches Eichhörnchen

Systematik

Das Eurasische Eichhörnchen wird als eigenständige Art innerhalb der Gattung der Eichhörnchen (Sciurus) eingeordnet, die heute aus insgesamt 28 Arten besteht. Die wissenschaftliche Erstbeschreibung stammt von Carl von Linné, der die Art im Jahr 1758 in der 10. Auflage seines Systema Naturae als eine der ersten Hörnchenarten beschrieb und sie auch bereits der von ihm erstbeschriebenen Gattung Sciurus als einer von sechs Nagetiergattungen zuordnete. Diese enthielt neben dem eurasischen Eichhörnchen auch die amerikanischen Fuchshörnchen S. niger und S. cinereus, das Europäische Gleithörnchen (S. volans, heute Pteromys volans), das Atlashörnchen (S. getulus, heute Atlantoxerus getulus), das Streifen-Backenhörnchen (S. striatus, heute Tamias striatus) sowie die nicht zuzuordnende Art Sciurus flavus.

Variationen der Fellfarbe und der Morphologie führten zur Beschreibung von mehr als 40 Unterarten des Eichhörnchens. So ändert sich in Europa die Färbung von Süden nach Norden und Nordosten in ein reineres Grau. In einigen Gegenden kommen gleichzeitig rötliche und schwärzliche Typen vor. Vom Ural aus gesehen, wird das Fell nach Westen flacher und heller, die Färbung ist in Westeuropa und Mitteleuropa rötlich bis dunkelrot. Nach Osten wird das Fell voller und dunkler, am dunkelsten ist es in Ostsibirien. Der taxonomische Status einiger Unterarten ist unsicher, und die Anzahl der anerkannten Unterarten unterscheidet sich von Autor zu Autor. Die folgende Systematik mit 23 Unterarten sowie der Zuordnung einiger Synonyme folgt Thorington und Hoffmann (2005). Die Angaben zur Verbreitung basieren auf Sidorowicz (1971), Wiltafsky (1978), Gromow und Jerbajewa (1995) sowie Hoffmann und Smith (2008).

  • S. v. fuscoater in Mitteleuropa und als russus in Frankreich
  • S. v. leucourus auf Großbritannien und auf Irland
  • S. v. alpinus in Südeuropa mit alpinus, numanitus, infuscatus, segurae und hoffmanni auf der Iberischen Halbinsel sowie italicus auf der Apennin-Halbinsel
  • S. v. lilaeus im Westen der Balkanhalbinsel mit lilaeus und ameliae im Süden sowie croaticus im Norden
  • S. v. balcanicus im Osten der Balkanhalbinsel
  • S. v. vulgaris im Süden der Skandinavischen Halbinsel und als carpathicus in den Karpaten oberhalb von 600 Metern
  • S. v. varius im Norden der Skandinavischen Halbinsel, auf der Kola-Halbinsel, in Finnland und in Karelien
  • S. v. formosovi im Nordrussischen Tiefland
  • S. v. fedjushini im Norden von Belarus und im angrenzenden Russland
  • S. v. ukrainicus im Osten der Ukraine und im angrenzenden Russland sowie als kessleri im Süden von Belarus und in der Ukraine
  • S. v. ognevi in Zentralrussland bis zum Ural sowie als bashkiricus im Ural und als golzmajeri südöstlich des Urals
  • S. v. cinerea
  • S. v. exalbidus als argenteus im Westsibirischen Tiefland sowie als kalbinensis im Altai und in Xinjiang
  • S. v. altaicus in den Südsibirischen Gebirgen
  • S. v. martensi einschließlich jenissejensis im Mittelsibirischen Bergland
  • S. v. arcticus einschließlich jacutensis im Südosten Sachas, in Magadan und auf Kamtschatka
  • S. v. anadyrensis auf der Tschuktschen-Halbinsel
  • S. v. fusconigricans in Daurien und im Norden der Mongolei
  • S. v. dulkeiti in Chabarowsk und auf den Schantar-Inseln
  • S. v. rupestris auf Sachalin
  • S. v. mantchuricus in der Mandschurei, in der Primorje und auf der Koreanischen Halbinsel
  • S. v. chiliensis im Osten Chinas
  • S. v. orientis auf Hokkaidō

Status, Bedrohung und Schutz

Genereller Status

Die IUCN (International Union for Conservation of Nature) stuft das Eichhörnchen aufgrund des sehr großen Verbreitungsgebietes und der großen Bestände als nicht gefährdet (Least Concern) ein. Global wird keine Gefährdung der Bestände gesehen, obwohl es regional zu Rückgängen durch Lebensraumverluste und Fragmentierung der verfügbaren Lebensräume kommt.

Vor allem in der Mongolei stellt die starke Bejagung als Pelztier und der Pelzhandel ein potenzielles Risiko für die Eichhörnchenbestände dar.

In Deutschland gehört das Eichhörnchen nach der Bundesartenschutzverordnung als heimische Art zu den „besonders geschützten Arten“. Die Tiere dürfen daher nicht gejagt, gefangen, getötet oder privat gehalten werden. Ebenso dürfen Kobel nicht entfernt und nicht geleert werden.

Konkurrenz durch Grauhörnchen

Das in Großbritannien, Irland und Italien als Neozoon eingebürgerte nordamerikanische Grauhörnchen führt in Regionen gleichen Vorkommens zu einem dramatischen Bestandsrückgang des Europäischen Eichhörnchens aufgrund der Konkurrenz. Das Grauhörnchen ist erfolgreicher als das heimische Eichhörnchen, weil es die im Herbst vergrabenen Nahrungsvorräte mit größerer Sicherheit wiederfindet und dabei außerdem die Vorräte des heimischen Eichhörnchens nutzt. Befürchtet wird, dass ein Vordringen der Grauhörnchen auf dem Kontinent das Eichhörnchen hier weiter zurückdrängen könnte und die Grauhörnchen weite Teile des Verbreitungsgebiets der Eichhörnchen besiedeln könnten. Allerdings gilt die Überlegenheit der Grauhörnchen nur für Laub- und Mischwaldhabitate, in Nadelwäldern dagegen können sich die Eichhörnchen weiter gegen die nordamerikanischen Konkurrenten behaupten.

Hinzu kommt, dass Grauhörnchen nicht durch eine Infektion mit dem Parapoxvirus der Hörnchen an Parapocken erkranken und dass sie das Virus als Reservoirwirte an das Eichhörnchen übertragen, für das diese Virusinfektion oft tödlich ist. Bei Studien in Großbritannien wurde festgestellt, dass mehr als 60 Prozent der Grauhörnchen mit dem Virus infiziert sind und dass die Verdrängung des Eichhörnchens in Gebieten, in denen das Virus festgestellt wurde, etwa 20-mal so schnell stattfindet wie in Gebieten ohne Virusnachweis. In Italien wurde das Virus bislang nicht festgestellt.

Einer irischen Studie zufolge kann eine ausreichende Population von Baummardern die Verdrängung der Europäischen Eichhörnchen durch das Grauhörnchen verhindern. Wissenschaftler vermuten, dass die Europäischen Eichhörnchen vergleichsweise sicherer vor dem Baummarder sind, weil sie flinker sind als die Grauhörnchen und sich zur Nahrungsaufnahme seltener auf dem Boden aufhalten.

Eichhörnchen als Neozoon

Vor allem in Japan, wo das Eichhörnchen nicht heimisch ist, wird es regelmäßig als Haustier eingeführt. Durch eine unkontrollierte Verbreitung stellt es hier ein potenzielles Risiko für die Bestände des Japanischen Eichhörnchens (Sciurus lis) dar, mit dem es sehr nah verwandt ist.

Grauhörnchen
Das Grauhörnchen
(Sciurus carolinensis)
verdrängt auf den
britischen Inseln
allmählich das
europäische Eichhörnchen

Eichhörnchen in der Kultur

Von der in der Antike verbreiteten Ansicht, dass sich Eichhörnchen mit ihrem gewaltigen Schwanz selber Schatten geben könnten, stammt ihr griechischer (in die wissenschaftliche Gattungsbezeichnung eingegangener) Name σκιοῦρος skiuros („Schattenschwanz“).

In der nordischen Mythologie findet man das Eichhörnchen Ratatöskr, das an der Weltenesche Yggdrasil auf und ab läuft.

Eichhörnchenfelle werden seit alters zur Herstellung von Kleidungsstücken benutzt, die Felle werden als Feh bezeichnet. Die Winterfelle der sibirischen Unterarten des Europäischen Eichhörnchens mit dem blaugrauen Rücken und der weißen Bauchseite galten als besonders wertvoll. Das verarbeitete Fell wird als symbolhaftes Standeskennzeichen als heraldisches Feh in Wappen dargestellt.

Dass Eichhörnchen früher auch gegessen wurden, belegen Funde von Überresten in den jungsteinzeitlichen Pfahlbauten der Schweiz.

Die Stadt Eckernförde sowie die Gemeinden Westensee und Emkendorf u. a. zeigen das Tier jeweils auf dem Wappen.

Ratatöskr an der Weltenesche Yggdrasil
Ratatöskr an der
Weltenesche Yggdrasil.
Aus einer isländischen
Handschrift des
17. Jahrhunderts.

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